Wer nicht nur immer nach den schärfsten Chilis sucht, findet am anderen Ende der Scoville-Skala im Süden Italiens eine aromatische Spezialität: Peperoni Cruschi.
In der Region Basilikata ist man auf eine Paprika-Spezialität namens Peperoni di Senise stolz. Seit 1996 genießt sie sogar – wie Roquefort-Käse, Champagner und gute Weine – Gebietsschutz der EU. Um ihren Namen tragen zu dürfen, müssen Peperoni di Senise in einer Handvoll Gemeinden der Provinzen Matera und Potenza angebaut werden, und das nach genau definierten Regeln. Ihren Namen verdanken sie dem Städtchen Senise am Hang eines Hügels im Sinni-Flusstal.
Zur Erntezeit ab August leuchten die roten Früchte von den Feldern; früher dienten sie dazu, getrocknet und zu Pulver vermahlen die Gerichte der armen Küche farblich und geschmacklich zu bereichern. Weil die Farbe des daraus gemahlenen Pulvers an Safran erinnert, heißen sie auch Zafaran. Auch heute wird damit etwa Risotto verfeinert.
Die beliebteste Verwendung sind aber die Peperoni Cruschi („kruski“ gesprochen), knusprige Paprika. Hierfür werden die sonnengetrockneten mild-süßen Früchte kurz in Olivenöl frittiert, wodurch sie noch knuspriger und aromatischer als ohnehin werden. Dann knabbert man sie „einfach so“ als Antipasto oder verwendet sie als Zutat für typische regionale Gerichte, zum Beispiel z.B. „Baccalà alla Lucana“ (lukanischer Stockfisch) oder diversen Pasta-Gerichten wie „Spaghetti con Peperoni Cruschi“ (Rezept).
Nach der Ernte werden die leuchtendroten Peperoni ein paar Tage im Dunkeln und bei guter Belüftung vorgetrocknet, dann werden sie mit Nadel und Bindfaden zu Strängen gebunden (heißen hier Treccia, in New Mexico Ristra). Dann werden sie unter den Dächern spezieller Trockenhäuser aufgehängt, aber auch auf vielen Balkons sind sie von August bis September zu finden.
Auf unserer Erkundung der Region wohnten wir im modernen aber familiär-herzlichen Hotel Villa del Lago etwas außerhalb von Senise, das zudem ein gutes Restaurant hat. Auf unsere Frage nach den berühmten Peperoni der Region bekamen wir einen Probierteller mit den zwei gängigen Zubereitungsarten: frisch und geschmort, sowie getrocknet und kurz zu knusprig zu „Cruschi“ frittiert. Beides sehr lecker!
Aber auch weiter südlich sind knusprig-frittierte süße Peperoni ein beliebter Snack und Antipasto. In Kalabrien heißen sie „Pipi Cruschi“ und werden aus Dolce Calabrese zubereitet. (Pipi ist kalabrischer Dialekt für Chilis; die Scharfen heißen „Pipi Infernale“).
Von Freunden in Maierà – also dort, wo sich auch das Peperoncino-Museum befindet – wurden wir in ein Restaurant eingeladen, wo es die knusprigen Peppies als eine von vielen leckeren Vorspeisen gab. Nachdem wir so begeistert davon waren, schenkten sie uns einen Strang mit getrockneten Dolce Calabrese, damit wir auch zuhause Knusperpaprika machen konnten.
Da bei uns die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist, die Treccia einfach in die Küche zu hängen, bewahren wir sie luftdicht (und in der dunklen Speisekammer) im Glas auf. Jetzt sind wir gerüstet für die eigene Cruschi-Produktion…
Die getrockneten Peperoni werden allenfalls mit einem trockenen Tuch oder Küchenkrepp von Staub etc. gereinigt, auf keinen Fall feucht. Das Öl sollte 155 bis 160 °C heiß sein, am besten verwendet man eine kleine unbeschichtete Pfanne.
Das Frittieren dauert nur wenige Sekunden: Peperone einzeln ins siedend heiße Olivenöl tauchen, 1-2-3 zählen, wenden, 1-2-3 – fertig!
Dass die Peperoni ausreichend frittiert sind, sieht man daran, dass sie sich aufblasen. Bloß nicht zulange im Fett lassen, sonst werden sie bitter oder verkohlen gar.
Dann schnell raus damit und auf einen bereitgestellten Teller mit Küchenkrepp zum Abtropfen legen. Nach ein paar Minuten werden sie erst richtig knusprig.
Wichtig: Nach dem Frittieren nicht vergessen, das Fett vom Feuer zu nehmen!
Wahlweise kann man die kompletten Peperoni frittieren, oder den Stiel herausbrechen und das Innenleben mit der Saat entfernen. Wir haben beides probiert und werden wohl zukünftig die erstgenannte Variante verwenden.
Damit die Peperoni Cruschi knusprig bleiben, sollten sie nach dem Abkühlen in ein luftdichtes Gefäß oder einen Zipper-Plastikbeutel.
Tipp aus der Basilikata: Im selben Fett hauchdünne Kartoffelscheiben knusprig frittieren, auch auf Küchenkrepp abtropfen lassen, sofort leicht salzen. Zusammen mit den knusprigen Peperoni ein toller Snack!
Außer mit Peperoni di Senise oder Dolce Calabrese lassen sich auch andere Sorten zu Peperoni Cruschi brutzeln, etwa ungarische Gewürzpaprika oder New Mexican Chiles (landläufig „Hatch Chiles“ genannt) wie Sandia, Heritage 6-4 oder Big Jim. Die Früchte sollten dünnfleischig sein, rot (oder je nach Sorte andersfarbig) gereift, und gut getrocknet. In unseren Breiten bleibt hierfür fast nur das Dörrgerät, andernfalls bildet sich in ganzen Früchten schnell gesundheitsschädlicher Schimmel – Deutschland (und nicht einmal Norditalien) ist halt nicht Kalabrien, Basilikata oder Apulien…
Knusprige Kaufprodukte
Wer nicht selber brutzeln will, kann die knusprigen Peperoni Kruski auch frittiert und luftdicht verpackt als Fertigprodukt kaufen. Eine Suche beispielsweise auf amazon.it nach peperoni+cruschi lieferte eine ganze Menge Artikel. Aber aufgepasst: Es gibt auch Anbieter in der Basilikata, die Peperoni Cruschi zum Selber-Frittieren („da friggere“) für zuhause anbieten. Die müssen dann noch in die Pfanne. Man erkennt sie meist an der Verpackung transparenten Kunststoffbeutel.
Wir haben die im Foto gezeigten fertigen Cruschis bestellt und getestet. Die „Cruskees“ von Novafood in Potenza gibt es in zwei Ausführungen – traditionell in Öl frittiert und leicht gesalzen, und „ohne alles“ im Ofen gebacken (al forno). Traditionell sind auch die „iCruschi“ der Azienda Agricola Belfiore Massimo aus Matera. Alle drei Varianten kommen ohne Stiele und Innenleben, in größere Stücke zerteilt, fertig zum Knabbern.
Uns haben alle drei Varianten gut gefallen, und sie haben ähnlich wie Chips einen gewissen Suchtfaktor. Will man sie in anderen Gerichten verwenden, empfehlen sich die ofengebackenen Cruskees, weil ohne Salz. Die anderen beiden machen sich gut zum Beispiel in Pasta-Gerichten; hier sollte man dann mit zusätzlichem Salz sparen.
Reisen in die Basilikata… und nach Kalabrien
Um die berühmten Peperoni di Senise und die damit zubereiteten Gerichte vor Ort zu probieren, empfiehlt sich eine Reise in die schöne Basilikata-Region. Einige Gegenden dort erinnern stark an den Südwesten der USA; dann wiederum wird es mit unzähligen alten Olivenbäumen streckenweise so richtig mediterran.
Zur Erntezeit ab August leuchten die roten Früchte von den Feldern. Viele Unterkünfte gibt es in dieser touristisch wenig erschlossenen Gegend der Basilikata nicht; es empfiehlt sich daher, rechtzeitig Reiseführer zu wälzen. Dann sollte man sich auch Matera ansehen, Europäische Kulturhauptstadt 2019. Kulinarisch bietet die abwechslungsreiche Region einen vollmundigen und kräftigen Rotwein (Aglianico del Vulture), spezielle Bohnen (Fagiolo di Sarconi), sowie Wurst- und Käsespezialitäten. Und natürlich die berühmte Senise-Paprika.
Ein Basilikata-Trip ließe sich etwa mit dem Besuch des Peperoncino-Festivals in Diamante im nicht minder schönen Kalabrien kombinieren, das jedes Jahr Anfang September stattfindet. Dort dann auch unbedingt das Peperoncino-Museum im nahe gelegenen Bergdorf Maierà besuchen; die kurvige Fahrt hinauf wird mit tollem Panoramablick über das Tyrrhenische Meer belohnt. Neben den milden Dolce Calabrese gibt es an der Stiefelspitze Italiens auch auch scharfe Peperoncini. Diese kommen zwar mit Scoville-Werten nicht an die Rekordhalter heran, haben aber gut Feuer und das für die Region typische Aroma.
Jetzt aber erst einmal viel Spaß beim Probieren von Peperoni Cruschi!
Rezept-Tipp: Spaghetti con Peperoni Cruschi