Nachdem unsere alte Anzuchtbox in die Jahre gekommen war, haben wir für die Saison 2017 einen neuen beheizten Anzuchtkasten angeschafft. (Update 2019 siehe unten)
Der „Propagator 64/50“ macht einen recht soliden Eindruck und glänzt mit einem Styroporpanzer, der für eine stabile Temperatur sorgen dürfte. Die Abdeckung soll laut Beschreibung so gestaltet sein, dass Kondenswasser an den Seiten der Abdeckung zurück in den Kasten läuft und nicht aufs Saatgut tropft. Das werden wir in Kürze sehen, wenn wir die Box in Betrieb nehmen. Zwei Öffnungen mit Schiebern dürften dafür sorgen, dass es im Innenraum nicht erst zu feucht wird.
Löst man die Kunststoffwanne vorsichtig aus dem Styroporkasten, sieht man die Heizschlange. Sie ist ebenfalls in Styropor eingebettet, schaut aber etwa einen Millimeter hinaus, sodass sie Kontakt mit dem Wannenboden macht. Das Heizkabel ist dick ummantelt, vermutlich Silikon. Mit Wasser kommt es nicht in Kontakt, da ja die geschlossene Kunststoffwanne darüber kommt; darin liegen dann der feuchte Sand, die Sonde und das Substrat mit den Pflanzen.
Die Leistungsaufnahme beträgt – genau wir bei unserer „alten“ Box von Parasene – 50 Watt. Die Heizung wird an 220V angeschlossen und kann laut Verteiber des „64-50“ eine Bodentemperatur bis zur Umgebungstemperatur +30°C erreichen (27-28°C sind m.E. ideal).
Etwas überraschend war die „Temperaturregelung“ – der Box war einfach ein Steckdosen-Dimmer beigelegt. Von Regelung kann man hier eigentlich nicht sprechen, es sei denn, man bezieht den temperatur-messenden und am Dimmer drehenden Menschen in den Regelkreis mit ein. (Wesentlicher Bestandteil eines Regelkreises ist per Definition die Rückmeldung des aktuellen Messwertes an den Regler, der einer Abweichung vom Sollwert kontinuierlich entgegenwirkt.)
Beim unserer bisherigen Box des englischen Herstellers Parasene war ein Regler nebst Thermostat eingebaut, aber auch hier musste man die gewünschte Temperatur mittels Thermometer und Probieren einstellen, aber immerhin…
Was die Temperaturregelung für den neuen Anzuchtkasten betrifft, empfahl mir ein User den Raumthermostat-Zwischenstecker von Sygonix, den hab ich mir inzwischen besorgt. Das Gerät hat um 50 Euro gekostet und hat für seinen Temperaturfühler mit 2 m Länge ein erfreulich langes Kabel. Der Einstellbereich geht von -20 bis +70°C, die Programmierung erfolgt mit ein paar Tasten über ein Menü auf dem LCD-Display. Diese Lösung sollte besser geeignet sein als der Steckdosen-Dimmer. Für letzteren hab ich eigentlich gar keine Verwendung, da ich bei uns komplett auf LED umgerüstet habe.
Würde der Temperaturbereich des Sygonix-Gerätes noch weiter nach oben gehen als 70°C, kämen mir interessate Anwendungen mit Grill+Lüfter in den Sinn… aber zurück zum Anzuchtkasten.
Dass der „Propagator 64/50“ recht gut durchdacht ist, zeitgt die Tatsache, dass es in einer Ecke eine Durchführung für ein Temperatursonden-Kabel gibt, sodass die Abdeckhaube nicht hoch steht. Für das dicke Sygonix mussten wir es ein wenig erweitern, was mit Hilfe einer runden Feile kein Problem war.
Für die kommende Anzuchtsaison wieder die Entscheidung: Quelltöpfchen oder Multitopfplatte? Die Entscheidung fiel auf letztere, denn zum einen hatten wir eine solche Platte mit 30×54 cm im Haus (wenn man freundlich fragt, kann man derlei beim Gartenfachbetrieb seines Vertrauens abstauben). Zum anderen haben wir nicht mehr genug Jiffy Torftabletten vorrätig, und die im Handel erhältlichen identisch aussehenden Kokos-Tabletten hatten im unserem Vergleichstest nicht so gut abgeschnitten.
Zudem hat unsere Multitopfplatte mit 16 x 8 Töpfchen nach Adam Zwerg Platz für 128 Pflänzchen – das sollte reichen. Notfalls wäre noch Platz für einen Streifen mit weiteren 16 Töpchen…
Zur gleichmäßigen Temperaturverteilung empfiehlt der Vertreiber, den Boden des Anzuchtkastens mit einer 2-3 cm dicken Sandschicht als Grundlage zu füllen und Wasser hinzuzufügen. So hatten wir es auch schon mit der alten Box gemacht; im Baumarkt hatten wr dazu einen Beutel „Spielsand“ gekauft, der nach jeder Saison getrocknet und aufbewahrt wird.
Zur korrekten Temperaturmessung und Vermeidung von Überhitzung im Innenkasten sei es wichtig, so der Vertreiber, den Temperatursensor bzw. ein Thermometer in die Mitte des Anzuchtkastens im Aussaatboden in ca. 5 cm Tiefe zu stecken.
Tipp: Wird Anzuchterde verwendet, sollte man diese sterilisieren, um Unkrautsaat, Schadinsekten und Schimmelsporen abzutöten. Dies kann in einem feuerfesten Gefäß bei 200°C für 30 Minuten im Backofen geschehen. Aber Vorsicht, die Erde bleibt lange heiß und riecht womöglich ein wenig. Oder fragen Sie Ihren Gärtner; viele Gärtnereibetriebe sterilisieren ohnehin Erde für ihren Eigenbedarf.
Jetzt geht’s los!
Jetzt geht’s also los – die neue Anzuchtbox wird mit einer dünnen Lage „Spielsand“ (kein Bausand!) befüllt, vorgeheizt und die Temperatur eingeregelt. Dann beginnt die Aussaat.
Die Thermostat-Sonde haben wir aus praktischen Gründen im Sand unter der Topfplatte verlegt. Hier stört sie am wenigsten. Wie erwähnt mussten wir die Aussparung fürs Kabel etwas erweitern.
Den Thermostat hatten wir zunächst durchgängig auf 28°C eingestellt. EIne Temperaturmessung in der Anzuchterde ergab eine Differenz von 2°C, daher haben wir den Thermostat dann noch von 28°C auf 30°C gestellt.
Dann wurde die Aussaat-Erde in die Multitopfplatte gefüllt, und die Etiketten vorbereitet. Aufgrund der kleinen Abstände haben wir Endlos-Saat-Etiketten der Länge nach halbiert und noch etwas gestutzt; mit einer Schere kein Problem.
Kaffee gekocht, Saatliste und Saattüten ausgebreitet, und los gings – in einer guten Stunde war die vorgeheizte Box bestückt.
Nach ein paar Stunden kondensierte erwartungsgemäß Feuchtigkeit, die aber wie beworben in den Innenraum abgeführt wird. Aussaat-Datum: 1.3.2017. Nun heißt es warten…
Wie schnell das Keimen tatsächlich vonstatten geht, hängt stark von der Temperatur ab. Schon vor Jahren hatten wir mit Tests ermittelt, dass Chili-Samen, die bei 30°C in den auf der Saatpackung angegebenen 8 Tagen keimen, bei 10°C leicht ein paar Wochen benötigen. Bei noch niedrigeren Temperaturen unterbleibt das Keimen womöglich gänzlich.
Am 18.3., also weniger als 3 Wochen später hatte alles bis auf ein paar „Blindgänger“ bestens gekeimt – ohne jedes Einweichen übrigens, auf das wir schon seit ein paar Jahren ohne Einbußen verzichten.
Ab jetzt hatten wir die Heizung abgestellt, und die Pflänzchen bekamen jeden Tag ein paar Stunden Sonne am Wintergartenfenster.
Am 10.4., also nach knapp 6 Wochen, war es dann soweit – Renate vereinzelte die Pflänzchen in kleine Töpfe, die dann auch wiederum in der Wintergarten-Sonne geparkt wurden.
Hier zeigte sich im weiteren Verlauf aber auch ein Problem der hoch isolierenden neuen Wintergarten-Fenster: Das Licht erschien zwar „hell“, aber das Iso-Glas filtert offenbar viel UV heraus, sodass es bei ca. 10-12 cm Pflanzenhöhe ein stark verlangsamtes Wachstum gab. Wann immer wettermäßig möglich kamen die Pflanzen-Tabletts daher ins Freie und holten dann gut auf.
Als Beispiel, wie gut das Keimen mit der neuen 64-50 Growbox geklappt hat, möge der Biker Billy Jalapeño dienen. Saat aus einer noch versiegelten Packung „Packed for 2000“ keimte anstandslos nach mindestens 18 Jahren (für Ernte, Saatgewinnung und Keimtests kann man 1-2 Jahre abziehen).
Die noch versiegelte Saattüte bekam ich im Frühjahr 2000 von Billy Hufnagle alias „Biker Billy“ – Der passionierte Biker und Chilihead hatte in den USA seine eigene Kochshow („Biker Billy cooks with Fire“) und er schrieb mehrere Kochbücher mit scharfen Rezepten. Der amerikanischeh Saatproduzent Burpee widmete Billy eine personders peppige Jalapeño-Variante. Dieses Frühjahr blätterte ich durch ein Kochbuch von Billy und entdeckte die noch versiegelte Saattüte, die ich als Lesezeichen verwendet hatte. Während die 2000er Saat klaglos keimte, waren die wenigen Totalausfälle „Packed for 2018“!
Auch die übrigen Pflanzen – rund 40 Sorten – wuchsen hervorragend und bescherten uns eine ertragreiche Chili-Saison.
Fazit: Wir sind mit der „Propagator 64/50“ Anzuchtbox sehr zufrieden. Die beiliegende „Temperaturregelung“ per Dimmer-Zwischenstecker ist jedoch weniger nützlich – hier sollte man eben auf einen Raumthermostat-Zwischenstecker mit Sonde zurückgreifen, wie etwa den von Sygonix
Tipp: Noch unschlüssig, welche Chili-Sorten es in der neuen Saison sein sollen? Der Beitrag Welche Chili-Sorten anbauen? ist womöglich eine kleine Entscheidungshilfe….
Update 2019
Chili-Saison 2019: 14 Tage nach Aussaat haben fast alle 35 Sorten gekeimt.
Dieses Jahr bekommen sie wieder Kunstlicht von einem energiesparenden 45 Watt LED Panel. Die roten und blauen LEDs liefern Licht in den fürs Wachstum wichtigen Wellenlängen.
Für den nötigen Abstand sorgt ein ca. 30 cm hoher Rahmen aus Plexiglas von einem älteren Anzuchtkasten, den ich entsprechend eingekürzt habe. Das Panel habe ich an zwei Alu-Schienen geschraubt. Zur Abdeckung links, rechts, hinten und vorne habe ich passende Plexi-Streifen angefertigt; die letzteren beiden liegen erhöht zwecks Belüftung.
Nach etwa 4 Wochen timer-gesteuerter LED-Beleuchtung werden die Pflänzchen dann in kleine Töpfe vereinzelt.