Warum sind Chilis scharf?

Die kurze Antwort:

Um Fraßfeinde abzuwehren.

Etwas ausführlicher:

Ziel aller Lebewesen ist die Fortpflanzung — alles, was dies beeinträchtigt, versucht die Natur abzuwehren. Menschen und Tiere können sich wehren oder flüchten, bei Pflanzen geht das natürlich nicht. Hier sind andere Methoden vonnöten. So haben Kakteen zur Abwehr unerwünschter Esser Stacheln, Nüsse eine harte Schale.

Bei Chilipflanzen kam die Natur auf eine besonders verschärfte Idee, die überlebenswichtigen Früchte vor Fraßfeinden zu schützen, nämlich mit der nur hier zu findenden Substanz Capsaicin. Hier die Formel: C18H27NO3

Nagetiere und andere Säuger hält diese Schärfe-Substanz vom Verzehr ab, weil es brennt und schmerzt. Das ist wichtig, denn deren  Magensäure und das Zerkauen der wichtigen Samenkörner würde jedes Keimen unterbinden. Vögel hingegen scheiden die Saat unversehrt wieder aus und tragen damit zum Arterhalt bei.  Die Saat wird verbreitet, und das gleich noch mit einer Portion Dünger. Zur Belohnung spüren Vögel die Capsaicin-Schärfe nicht; ihnen fehlen die entsprechenden Rezeptoren.

Vögel spüren die Chilichärfe nicht - so finden Chiltepin & Co. Verbreitung
Vögel spüren die Chilicshärfe nicht – so finden Chiltepin & Co. Verbreitung

Aufgenommen und ans Gehirn weitergeleitet wird der Schärfereiz über die Wärme-/Schmerzezeptoren; daher das Gefühl, dass es „brennt“. Im Mund wird die Schärfesubstanz Capsaicin vom Menschen selbst noch in einem Millionstel Verdünnung (1 ppm) wahrgenommen!  Den Wärme-/Schmerzezeptor haben Wissenschaftler „TRPV1“ (kurz für Transient Receptor Potential Vanilloid 1) getauft. TRPV1 spricht auf Capsaicin genau wie auf Temperaturen über 43 °C an.  Diese Schwelle überwacht unser Körper, da höhere Temperaturen für ihn gefährlich werden.

Auch in „Pfefferspray“ steckt übrigens kein schwarzer Pfeffer, sondern scharfer Chili-Extrakt mit Capsaicin. Genaugenommen enthalten Chilis nicht nur eine einzige Substanz, sondern eine ganze Gruppe sogenannter Capsaicinoide. Deren Zusammensetzung ist nicht bei allen Chilis gleich; darum haben die Sorten unterschiedliche „Brenn-Profile“. Während etwa Thai-Chilis sofort eine schneidende Schärfe entwickeln, baut sich diese bei Habaneros (und anderen Chilis der Art Capsicum chinense) erst langsam auf, hält dann aber lange an. Das „Brennen“ hat nichts mit dem Aroma der Chilis zu tun, welches über die Geschmacksnerven wahrgenommen wird.

Von der Natur ungeplant haben wir Menschen am lustvollen Brennen der Capsaicinoide so viel Gefallen gefunden, dass Chilis heute neben schwarzem Pfeffer das weltweit wichtigste Gewürz sind. Klimatisch sind Chilis weit anspruchsloser als schwarzer Pfeffer. Daher hat sich deren Anbau in vielen Ländern der Welt etaabliert, als Handelsschiffe im 16. Jahrhundert für eine globale Verbreitung sorgten.  Ob Asien, Indien, Afrika, Europa… wo immer die Chilis landeten, wurden sie bald fester Bestandteil der Landesküche.

Zudem hat sich in den letzten 20 Jahren weltweit ein regelrechter Chili-Kult entwickelt, mit Fan-Foren im Internet, Treffen Gleichgesinnter („Chiliheads“) und Chili-Wettessen. Das gibts in der Form wohl bei keiner anderen (legalen) Pflanze — Broccoliheads oder Kartoffelwettessen sind uns jedenfalls nicht bekannt….

Wie wird die Schärfe gemessen?

Ursprünglich brauchte man den Capsaicingehalt (und damit die Schärfe), um die Substanz für medizinische Präparate zu dosieren zu können (Capsaicin steckt ja nicht nur in Essbarem, sondern auch in Rheumasalben, Wärmepflastern usw.). Hierzu hatte der amerikanische Pharma-Wissenschaftler Wilbur Scoville zunächst ein Verfahren mit Testpersonen entwickelt, welche die verdünnte Schärfe in einer Zuckerlösung bestimmen mussten. Daraus leitete der Wissenschaftler die nach ihm benannten „Scoville-Einheiten“ ab (Scoville Heat Units, kurz SHU).

Anstelle von Testpersonen bedient man sich im Labor heutzutage der HPLC-Analytik. Die komplizierte Apparatur dazu misst den Capsaicingehalt in mg/kg, durch Multiplikation mit 16 kommt man wieder zu den Scoville-Einheiten, die auch heute noch gängig sind.

Je mehr Scoville, desto schärfer.  Während etwa Jalapenos im Bereich von 15.000 bis 15.000 SHU angesiedelt sind, liegen Habaneros bei 100.000 bis 500.000 SHU. Der Bereich  „von – bis“ ergibt sich aus Schwankungen je nach Genetik und  Anbaubedingungen.  Für den kulinarischen Gebrauch reicht zudem meist sogar eine Schärfeskala von 1 (mild) bis 12 (jenseits von scharf).

Auch wenn TV-Köche immer wieder behaupten, die Schärfe stecke in den Kernen: Das Capsaicin wird in der Plazentawand sowie in den Scheidewänden der Früchte produziert. Daher sind vor allem die diversen Innenwände erheblich und das Plazentagewebe schärfer als das Fruchtfleisch selbst. Die Pfeile zeigen, wo der Großteil der Schärfe steckt.

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Die Samenkörner selbst enthalten weder viel Aroma noch Schärfe. Jede Chili lässt sich daher „entschärfen“, indem man vor der weiteren Verarbeitung ihr Innenleben entfernt. Dabei am besten Handschuhe verwenden, um spätere ungewollte brennende Berührungen zu vermeiden!

Tipp:

Viele Chilisorten und deren Schärfe siehe Scoville-Werte für Chilis.

 

Das Leben ist zu kurz für fades Essen.

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